Fallbeispiel Erpetal


Geographische Einordnung

Die Erpe entspringt nördlich von Werneuchen (Land Brandenburg) und mündet in Berlin-Köpenick in die Müggelspree. Nur rund 5 km der gesamten Lauflänge von 32 km liegen im Berliner Stadtgebiet. Die Größe des Einzugsgebietes beträgt ca. 220 km2 (LUGV 2011). In Brandenburg durchfließt das Gewässer die Grundmoränenplatte des Barnim und tritt ungefähr auf Höhe der Landesgrenze zu Berlin in die naturräumliche Einheit der Berlin-Fürstenwalder Spreetalniederung ein (vgl. Scholz 1962). Das Berliner Erpetal war im letzten Jahrhundert einem starken Nutzungsdruck durch die urbane Entwicklung ausgesetzt. Dennoch sind einige Talflächen bis heute als unversiegelte Feuchtgebiete erhalten geblieben und wurden 1995 als „LSG Erpetal“ unter Schutz gestellt. Das LSG umfasst rund 46 ha und erstreckt sich von der Grenze im Norden bis zum „Grünfließer Damm“ im Süden (Verordnung LSG Erpetal 1995). Die Geländehöhen im Berliner Gebiet der Talniederung bis zu ihren Rändern liegen zwischen 32 bis 37 m ü. NHN (SenStadtUm 2009). Die durchschnittliche jährliche Temperatur ist 8,5 bis 9,5 °C (Referenzdaten 1960-1991) (SenStadtUm 2001).


Moorgenese

Das Erpetal wurde bereits späteiszeitlich als von NE nach SW ins Berliner Urstromtal entwässernde Schmelzwasserrinne angelegt (Gommlich 1997). Nacheiszeitlich kam es auf den Talsanden in der Berliner Erpeniederung zur Moorbildung unter eutroph-subneutral bis kalkreichen Bedingungen, beeinflusst durch das Flusswasser von der Barnimhochfläche (Klingenfuß 2014).

Talbereiche mit tieferen, grundwassergefüllten Rinnen und Senken sowie holozän entstandene Altarme der Erpe verlandeten, wobei teils > 5 m mächtige Detritus-, Kalk- und Sandmudden sedimentiert wurden. Für die etwas höher gelegenen Niederungsbereiche ist eine Vermoorung durch Versumpfung und Überflutung wahrscheinlich, da diese Bildungen geringmächtiger und seltener von Mudden unterlagert sind. Eine Versumpfung muss durch den Anstieg des Grundwasserspiegels ausgelöst worden sein, der wahrscheinlich klimatische Ursachen hatte bzw. in jüngerer Zeit lokal auch auf den mittelalterlichen Mühlenstaueffekt (Klingenfuß 2014) (s. unten) zurückzuführen ist.

Bild des Transekts Erpetal

Das Transekt (Abbildung) liegt im Talabschnitt zwischen Grünfließer Gang und S-Bahntrasse. Das Moor erstreckt sich an dieser Stelle über die gesamte Breite des Tales von rund 300 m. Die Mächtigkeit schwankt im zentralen Bereich in Abhängigkeit von der Formung des Talgrundes zwischen 1,5 und 3 m. An beiden Rändern grenzt das Moor direkt an bebautes Gebiet und ist dort von sandigem Substrat mit Bauschutt anthropogen überdeckt worden. Der mineralische Talboden ist meist mit einer geringmächtigen Schicht Sandmudde ausgekleidet. Darüber sind, vermutlich durch Versumpfung, zuerst Schilftorfe und später Radizellentorfe aufgewachsen, die zusammen eine Mächtigkeit von bis zu 1,7 m erreichen. Diese Torfe sind mittel zersetzt; an der Basis der > 2 m mächtigen Profile findet man jedoch auch Schilftorf, der durch geringe Zersetzung und hohe Sandbeimengung gekennzeichnet ist. Die Moorstratigraphie ist besonders südlich der Erpe sehr gleichmäßig. Die dort vorgefundenen Torfe sind zwar teils muddehaltig, es sind jedoch keine Organomudden zwischengelagert. Dagegen ist in der Nähe des heutigen Flusslaufes und in der westlichen Aue eine mächtige Schicht torfhaltiger Detritusmudde zwischen den Schilf- und Radizellentorfen sedimentiert worden. Ihre Entstehung könnte mit der Flussdynamik der Erpe zusammen hängen: bei der Verlandung von Altarmen oder durch langanhaltende Überflutungen im Auenbereich könnten Mudden abgelagert worden sein. Am westlichen Rand des Moores zeugen Holztorfe in den tieferen Moorschichten von einem ehemaligen Erlenbruchwald.


Standorthistorie

Ab dem Mittelalter griff der Mensch immer stärker in den Landschaftswasserhaushalt ein und begünstigte über längere Zeit die Moorbildung durch das Anstauen von Mühlenteichen. Seit dem 16. Jh. ist im Berliner Stadtgebiet bspw. die „Sandmühle“ mit Lage am Altarm (heutiger rechter Mündungsarm der Erpe) überliefert. Wenn deren Besitzer von seinem Staurecht Gebrauch machte, „standen die gesamten Wiesen bis Hirschgarten unter Wasser“ (Schulze o.J., zit. nach Gommlich 1997, S. 7). In den Flachgewässern kam es zu Verlandungsprozessen in deren Folge sich kalkhaltige Detritus- und Kalkmudden an der ehemaligen Mooroberfläche ablagerten. Entlang des Transektes sind diese Verlandungsmoor-Bildungen bis zu 0,6 m mächtig. Seit der Aufgabe der Mühlennutzung im 19. Jh. wurden die Auen zunehmend als Wiesen und Weiden bewirtschaftet (Gommlich 1997).

Die Besiedelung des Berliner Erpetales begann Ende des 19. Jh. mit dem Bau neuer Stadtrandsiedlungen (Gommlich 1997). Zudem wurden auch Kleingartenanlagen im natürlichen Überschwemmungsgebiet (Gommlich 1997) und z. T. auf Moorboden errichtet (Bjarsch 1994, zit. nach Gommlich 1997). Durch die urbane Expansion wurden die Moore im Erpetal vielerorts versiegelt oder stark beeinträchtigt. Hinzu kommt die diffuse Schadstoffbelastung durch die Lage in der Stadt (Klingenfuß 2014). Weitere standortspezifische Beeinträchtigungen ergaben sich seit Anfang des 20. Jh. durch den Rieselfeld- und nachfolgenden Klärwerksbetrieb auf dem Machnow/Münchehofe und die zur gleichen Zeit einsetzende Grundwasserförderung durch die Brunnengalerie A des Wasserwerkes Friedrichshagen. Die Verrieselung führte zu einer hohen Schadstoffbelastung der Erpe und des Grundwasserleiters mit Stickstoff- und Phosphatverbindungen. Außerdem beeinflusste sie durch eine erhöhte Infiltration den regionalen Wasserhaushalt der Landschaft. Dieser Wasserzuschuss wurde jedoch phasenweise deutlich durch die Trinkwasserförderung überprägt (Gommlich 1997). Hohe Fördermengen und die Umstellung von Rieselfeld- auf Klärwerksbetrieb hatten besonders in den 1970er und 80er Jahren eine starke Grundwasserabsenkung auf bis zu 5 m unter Flur zur Folge (Gommlich 1997, Limberg 1994, zit. nach Breuer 2012). Seit 1990 wurden die Fördermengen wieder reduziert, was zu einer Erholung der Grundwasserstände führte (Gommlich 1997). Das Erpetal liegt noch heute im Einflussbereich der Wasserwerke Friedrichshagen, Kaulsdorf und Wuhlheide (Verleger et al. 2012).

Neben der Grundwasserförderung stellten auch wasserbauliche Maßnahmen Eingriffe in die Ökologie und Hydrologie der Auenbereiche dar. So wurde vermutlich bereits um 1720 der Freiarm (heutiger linker Mündungsarm der Erpe) zur Gebietsentwässerung angelegt. Ein Ausbau und die Begradigung der Erpe ab dem „Grünfließer Gang“ flussaufwärts erfolgte 1952/53 und noch einmal in den 1960er/1970er Jahren. Diese Maßnahmen schlossen auch die Anlage von Entwässerungsgräben und Dränagen in den Auwiesen ein (Gommlich 1997).


Bodenentwicklung

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden zwei größere unversiegelte Feuchtflächen nördlich und südlich der S-Bahn sowie wenige kleinere Einzelflächen kartiert. Der Großteil der ursprünglichen Moorflächen ist heute bebaut oder war als Privatgrund nicht betretbar.

Aufgrund der ökologisch-hydrologischen Standortbedingungen wären bei flurnahen Wasserständen Normniedermoore (HNn) und Kalkniedermoore (HNc) die vorherrschenden Moorbodentypen. Die nutzungsbedingte Grundwasserabsenkung löste jedoch sekundäre Bodenbildungsprozesse in den oberen Moorschichten aus. Im Boden wurden ehemalige Degradierungstiefen zwischen 7 und 8 dm unter GOF vorgefunden, die auf die starke Entwässerung der 1970er/1980er Jahre zurückzuführen sind. Die degradierten Torfhorizonte sind gut erkennbar an ihren hohen Zersetzungsgraden und einem charakteristischen Krümelgefüge (Vererdung). Häufig sind sie durch nutzungsbedingte Auflast und/oder Sackung stark verdichtet. Moorbodensackungen führten z. B. im Bereich der Kleingartenanlagen zur problematischen Ausbildung von Senken im Gelände (Bjarsch 1994, zit. in Gommlich 1997).

Die aktuelle Degradierungstiefe ist auf Grund der allgemein hohen Zersetzung in den oberen Moorschichten durch die vorgefundenen Grundwasserstände definiert und liegt südlich der S-Bahntrasse bei mind. 3 dm unter GOF. Die Flächen oberhalb der S-Bahntrasse weisen hingegen teilweise flurnahe Wasserstände auf, wodurch die aktuelle Degradierungstiefe max. 1 dm erreicht. Hier herrschen gute Torferhaltungsbedingungen. Stellenweise ist auch eine Reaktivierung des Torfwachstums erkennbar.

Entsprechend der aktuellen Degradierungstiefen und hohen Kalkgehalte aus den Mühlenstau-Ablagerungen wurden im Bereich der Wiesen südlich der S-Bahn fast ausschließlich Kalkerdniedermoore (KVc) kartiert. Nördlich der S-Bahntrasse kommen Relikterdniedermoore-Niedermoore (rKV-HN) vor, welche die Verbesserung der Grundwasserstände widerspiegeln. Die Moore sind besonders am Talrand, aber auch gelegentlich in zentralen Bereichen mit > 3 dm Sand oder Bauschutt überdeckt worden. Hieraus haben sich Moorgleye (GH), Anmoorgleye (GM) oder Normgleye (GGn) über dem begrabenen Niedermoor entwickelt.