Um den ökologischen Ist-Zustand eines Moores als typischen Lebensraum sicher zu beurteilen, wurden drei wesentliche Parameter identifiziert und für die Bewertung herangezogen (Ellenberg 1996, Succow & Joosten 2001). Die Naturnähe diente dabei als wertbestimmendes Kriterium:
Da die natürliche Ausprägung von Mooren in Abhängigkeit ihrer Lage, Landschaftseinbindung und Wasserspeisung bezüglich der genannten Parameter stark unterschiedlich ist, muss für jeden Standort eine angepasste Bewertungsgrundlage geschaffen werden. Dazu wurden verschiedene Entwicklungszieltypen mit charakteristischen Kombinationen von Raummerkmalen definiert, die den Ziel- oder Referenzzustand des Moores darstellen.
Kriterium |
Naturnähe des Wasserstandes |
Naturnähe der Standorttrophie |
Naturnähe der Biotopstruktur |
---|---|---|---|
Parameter |
Wasserstufen (mittlerer jährlicher Wasserstand) |
Trophiestufen |
Merkmale der Biotopstruktur |
Torfmoosmoor |
5+ und 4+ (10 cm über Flur bis 20 cm unter Flur)
|
oligotroph oder mesotroph |
unbewaldet bzw. gehölzarm bis 30 % Deckung; nach Biotoptypenkartierung kein „Degenerationsstadium“ |
Torfmoosmoor, bewaldet (Moorwald) |
oligotroph oder mesotroph |
bewaldet bzw. Gehölzdeckung > 30 % |
|
Braunmoosmoor (basenreiche Kalk-Zwischenmoore) |
mesotroph |
unbewaldet bzw. gehölzarm bis 30 % Deckung; nach Biotoptypenkartierung kein „Degenerationsstadium“ |
|
Reichmoor |
eutroph |
unbewaldet bzw. gehölzarm bis 30 % Deckung |
|
Reichmoor, bewaldet |
bewaldet bzw. Gehölzdeckung > 30 % |
Zur Ermittlung des Entwicklungszieltyps finden Sie Informationen unter:
→ Zuweisungskriterien
Die Ermittlung des Ist-Zustandes erfolgte je Parameter auf der Ebene der Biotoptypen(-polygone).
Für die Ermittlung des mittleren jährlichen Wassserstands bzw. der Wasserstufen wurden Boden- und Vegetationsmerkmale herangezogen. Die Methodik ist beschrieben unter:
→ Kernparameter Wasserstand
Die Ermittlung der aktuellen Standorttrophie erfolgt auf der Ebene der Biotoptypen. Jedem Biotoptyp der Berliner Biotoptypenliste, der in den untersuchten Moorgebieten zu finden war (Auszug s. Tabelle unten), wurde eine typische Trophiestufe zugeordnet, in Ausnahmefällen auch zwei (z. B. „eutroph bis polytroph“).
Trophiestufe |
C/N-Verhältnis |
||
---|---|---|---|
verbal |
Abkürzung |
|
|
oligotroph |
nährstoffarm |
ol |
> 33 |
mesotroph |
mäßig nährstoffarm |
me |
20 bis 33 |
eutroph |
nährstoffreich |
eu |
10 bis < 20 |
polytroph |
nährstoffüberlastet |
po |
7 bis < 10 |
Informationen über charakteristische trophische Zustände wurden für Moorbiotope der Biotoptypenliste Berlins aus folgenden Quellen zusammengetragen:
Berliner Biotoptypen, Stand: 2005 |
|||
---|---|---|---|
Code |
Biotoptypen |
Wasserstufe |
Trophiestufe |
04311 |
Bunter Torfmoosrasen, Sauer-Armmoor (oligotroph-saures Moor) |
5+, 4+ |
ol/me |
04326 |
gehölzarmes Degenerationsstadium der Sauer-Zwischenmoore (mesotroph-saures Moor) |
5+, 4+ |
me |
04327 |
gehölzarmes Degenerationsstadium der Sauer-Zwischenmoore (mesotroph-saures Moor), Kesselmoor |
5+, 4+ |
me |
04328 |
Abtorfungsbereich mit Regeneration, Sauer-Zwischenmoor (mesotroph-saures Moor), |
x |
me |
04329 |
sonstige Sauer-Zwischenmoore (mesotroph-saures Moor) |
5+, 4+ |
me |
04330 |
Kalk-Zwischenmoor (mesotroph-kalkreiches Moor) |
5+, 4+ |
me |
04331 |
Braunmoos-Kalkbinsen-Ried, Kalk-Zwischenmoor (mesotroph-kalkreiches Moor) |
5+, 4+ |
me |
04332 |
nährstoffreiche (eutrophe bis polytrophe) Moore und Sümpfe |
5+, 4+ |
eu/po |
04333 |
Röhrichte nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe |
5+, 4+ |
eu/po |
04334 |
Seggenried mit überwiegend bultigen Großseggen nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe /td> | 5+, 4+ |
eu/po |
04335 |
Seggenried mit überwieg. rasig bewachsenen Großseggen nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore u. Sümpfe |
5+, 4+ |
eu/po |
04336 |
Kleinseggenried nährstoffreicher Moore und Sümpfe |
5+, 4+ |
eu |
04337 |
Gehölze nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung 30-50%) |
x |
eu/po |
04338 |
Gehölze nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung > 50%) |
x |
eu/po |
04339 |
Erlen-Moorgehölz nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe |
x |
eu/po |
04340 |
Erlen-Moorgehölz nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung 10-30%) |
5+, 4+ |
eu/po |
04341 |
Erlen-Moorgehölz nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung 30-50%) |
5+, 4+ |
eu/po |
04342 |
Erlen-Moorgehölz nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung > 50%) |
x |
eu/po |
04343 |
Weidengebüsche nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe |
5+, 4+ |
eu/po |
04344 |
Weidengebüsche nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung 30-50%) |
5+, 4+ |
eu/po |
04345 |
Weidengebüsche nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung > 50%) |
5+, 4+ |
eu/po |
04346 |
Faulbaumgebüsche nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung > 50%) |
< 4+ |
eu/po |
04347 |
sonstige Gebüsche nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe |
5+, 4+ |
eu/po |
04348 |
sonstige Gebüsche nährstoffreicher (eutropher bis polytropher) Moore und Sümpfe (Gehölzdeckung > 50%) |
5+, 4+ |
eu/po |
04349 |
sonstige nährstoffreiche (eutrophe bis polytrophe) Moore und Sümpfe |
5+, 4+ |
eu/po |
04350 |
Feuchtwiesen und Feuchtweiden |
4+, 3+ |
x |
05101 |
Großseggenwiesen (Streuwiesen) |
4+, 3+ |
eu |
05102 |
Feuchtwiesen nährstoffarmer bis mäßig nährstoffreicher Standorte (Pfeifengraswiesen) |
4+, 3+ |
me |
05103 |
Feuchtwiesen nährstoffreicher Standorte |
4+, 3+ |
eu |
05105 |
Feuchtweiden |
< 4+ |
x |
05131 |
Grünlandbrachen feuchter Standorte |
< 4+ |
x |
05141 |
Hochstaudenfluren feuchter bis nasser Standorte |
x |
x |
051412 |
flächige Hochstaudenfluren auf Grünlandbrachen feuchter Standorte |
< 4+ |
x |
051413 |
Brennesselfluren feuchter Standorte bis nasser Standorte |
< 4+ |
eu/po |
0514131 |
Brennesselfluren feuchter Standorte bis nasser Standorte, Gehölzbedeckung < 10% |
< 4+ |
eu/po |
0514132 |
Brennesselfluren feuchter Standorte bis nasser Standorte, Gehölzbedeckung 10-30% |
< 4+ |
eu/po |
051414 |
Neophytenfluren feuchter bis nasser Standorte |
< 4+ |
eu/po |
051419 |
sonstige Staudenfluren feuchter bis nasser Standorte |
4+, 3+ |
x |
07101 |
Gebüsche nasser Standorte |
5+, 4+ |
x |
08100 |
Moor-, Bruch- und Sumpfwälder |
4+, 3+,2+ |
x |
08101 |
Kiefern-Moorwälder |
4+, 3+ |
ol/me |
081011 |
Pfeifengras-Kiefern-Moorwald |
4+, 3+ |
ol/me |
08102 |
Birken-Moorwälder |
4+, 3+,2+ |
ol/me |
081022 |
Torfmoos-Moorbirkenwald |
4+, 3+ |
me |
081024 |
Pfeifengras-Moorbirkenwald |
4+, 3+ |
ol/me |
08103 |
Erlen-Bruchwälder, Erlenwälder |
< 4+ |
eu |
081032 |
Wasserfeder-Schwarzerlenwald |
5+, 4+ |
eu |
081034 |
Großseggen-Schwarzerlenwald |
5+, 4+ |
eu |
081036 |
Rasenschmielen-Schwarzerlenwald |
3+ |
eu |
081037 |
Moorbirken-Schwarzerlenwälder |
5+, 4+ |
me |
0810371 |
Torfmoos-Moorbirken-Schwarzerlenwald |
5+, 4+ |
me |
0810372 |
Pfeifengras-Moorbirken-Schwarzerlenwald |
3+ |
me |
081038 |
Brennessel-Schwarzerlenwald |
< 4+ |
eu |
08110 |
Erlen-Eschen-Wälder |
< 4+ |
eu |
08113 |
Traubenkirschen-Eschenwald |
< 4+ |
eu |
08283 |
Vorwälder feuchter Standorte |
< 4+ |
x |
|
|
x = keine Zuordnung möglich |
Bei Mooren existiert ein enger Zusammenhang zwischen den C/N-Verhältnissen des Oberbodens als Maß der Standorttrophie und der Vegetationsausprägung (Ellenberg 1996, Succow & Joosten 2001). Im Rahmen der Bodenuntersuchungen wurden Corg- und Nt-Gehalte bestimmt und daraus die C/N-Verhältnisse in den Oberböden abgeleitet. Damit wurde eine Validierung der literaturbasierten Trophiestufen-Zuordnung zu einzelnen Biotoptypen durchgeführt. Die Laborergebnisse bestätigten die Literaturangaben weitgehend. So zeigte sich, dass die vererdeten Oberböden der Niedermoore (nHv‑Horizonte) mit einem durchschnittlichen C/N-Verhältnis von 14 (eutroph; n=12) wesentlich nährstoffreicher sind als die vererdeten Oberböden der Übergangsmoore (uHv-Horizonte) unter Degenerationsstadien und sekundären Moorwäldern, die ein durchschnittliches C/N-Verhältnis von 25 (mesotroph) zeigten (n=11).
Viele ursprünglich baumfreie Moore sind heute bewaldet oder durch Gehölzaufwuchs gefährdet. Diese sekundären Moorwälder (z. B. Erlenbruchwald, Kiefern-Birken-Moorwald) werden häufig als naturnah eingestuft und unterliegen auch gesetzlichem Schutz (FFH-LRT 91D0 Moorwälder). Die Bäume konkurrieren jedoch mit standorttypischen Moorpflanzen und beeinträchtigen sie besonders durch Beschattung und Laubfall. Die Abfrage der „Naturnähe der Biotopstruktur“ dient dazu, solche Gehölze auf Moorstandorten zu beurteilen. Wenn beispielsweise für ein Moor auf der Basis von Altdaten oder Bodenaufnahmen (fehlende Holztorfe!) ein unbewaldeter Entwicklungszieltyp identifiziert wird, ist der aktuelle Gehölz- bzw. Waldbestand negativ zu beurteilen. Die Gehölzdeckung wird in der Berliner Biotoptypenklassifizierung mit 10–30, 30–50 und > 50 % angegeben. Die kritische Grenze der Gehölzdeckung wurde auf 30 % festgelegt, da auch unbewaldete Moorbiotope einige Gehölze beherbergen können. Eine nicht geschlossene Bewaldung von mehr als 30 % Gehölzbedeckung muss, in Anlehnung an die Wertstufen der FFH-LRT-Kartierung (Zimmermann 2010) bereits kritisch beurteilt werden, da sie oft negative Trends des Moorwasserhaushaltes anzeigt.
Neben den standortfremden Gehölzen sind Dominanzbestände von Pfeifengras (Molinia caerulea) in Degenerationsstadien der Übergangsmoore oder Röhricht (z. B. Schilf) in ehemals nährstoffärmeren, basenreichen Niedermooren für konkurrenzschwache, standorttypische Moorarten problematisch. Daher werden die Degenerationsstadien neben standortfremden Gehölzbeständen als negatives Merkmal der Biotopstruktur bei der Bewertung berücksichtigt.
Die Gesamtbewertung des Ist-Zustands erfolgt durch eine schrittweise Abfrage (siehe unten). Weicht der Ist-Zustand eines Parameters vom naturnahen Ziel-Zustand ab, wird eine Teilabwertung vorgenommen. Bereits zwei negative Teilbewertungen führen in die unterste Klasse der Lebensraumleistung („mäßig naturnah“), weil dann von einem gestörten, verbesserungswürdigen Moorzustand auszugehen ist (hohes Umweltentlastungspotenzial). Die Nomenklatur der Klassen berücksichtigt, dass die Naturnähe von Mooren im Gegensatz zu anderen Biotopen (z. B. Trittrasen) in Berlin immer vergleichsweise hoch, also nie „naturfern“, ist.
Beispiel für ein Moor, bei dem die Raummerkmale des Ist-Zustandes mit dem Ziel-Zustand übereinstimmen. Der Standort wird als „naturnah“ eingestuft und die Bewertung der Lebensraumleistung ist positiv.
Beispiel für ein Moor, bei dem die Raummerkmale des Ist-Zustandes mit dem Ziel-Zustand in zwei Fällen nicht übereinstimmen. Diese Bewertungsmatrix ist beispielsweise für ein trockenes Torfmoosmoor kennzeichnend, das von sekundärer Bewaldung (z. B. Moorbirken) betroffen ist, aber noch keine deutlichen Eutrophierungserscheinungen zeigt. Die negative Beurteilung von zwei Naturnähe-Parametern führt bereits zur Einstufung in die 3. Klasse. Der Standort wird als „mäßig naturnah“ eingestuft und die Bewertung der Lebensraumleistung ist negativ.
Das Bewertungssystem für die Lebensraumleistung kann unter Anwendung der Biotoptypenliste Berlins für Moorstandorte ohne großen Aufwand angewendet werden. Lediglich die Ansprache des Oberbodens im Gelände als wichtige Informationsquelle ist zusätzlich zu leisten. Gegenüber gängigen Bewertungssystemen wie Biotopwertverfahren der Landschaftsplanung ist die Abstimmung auf die Eigenschaften von Moorökosystemen von Vorteil, da Standorttrophie und -strukturen zielgerichtet hinsichtlich ihrer Naturnähe geprüft werden. Über die Bestimmung eines Entwicklungszieltyps können Fehleinschätzungen vermieden werden. So kann z. B. ein Kiefernmoorwald als Folge der Entwässerung eines Torfmoosmoores erkannt werden, der sonst als seltenes und stark gefährdetes Waldbiotop als besonders schützenswert erfasst würde.