Ehemaliger Großer Hermsdorfer See am Tegeler Fließ

Schutzstatus

LSG; Natura 2000; NP Barnim

Ökologischer Moortyp (primär)

eutroph-subneutral bis mesotroph-kalkreich

Ökologischer Moortyp (sekundär, aktuell)

eutroph-subneutral bis -kalkreich

Hydrogenetischer Moortyp

(Mühlenstau-)Versumpfungsmoor über Verlandungsmoor

Entwicklungszieltyp

Reichmoor, bewaldet; Braunmoosmoor

Moorfläche

Moormächtigkeit (Zentrum)

43 ha

> 8,5 m

Boden(-sub)typ(en), dominant

Normniedermoor

C-Speicher

[Corg]

  • gesamt
  • gefährdet
  • labil u. gefährdet
  • > 122.002 t  ≙  > 2.837 t/ha 
  • 689 t  ≙  16 t/ha 
  • 81 t  ≙  2 t/ha 

CO2-Speicher

[CO2-Äquivalente]

  • gesamt
  • gefährdet
  • labil u. gefährdet
  • > 447.749 t  ≙  > 10.410 t/ha 
  • 2.528 t  ≙  59 t/ha 
  • 297 t  ≙  7 t/ha 

Das Tegeler Fließ ist ein naturnahes mäandrierendes Fließgewässer, das im Berliner Teil auf der gesamten Fließstrecke von Mooren mit beträchtlichen Torf- und Muddemächtigkeiten (insgesamt 156 ha) gesäumt wird.

Der „Ehemalige Große Hermsdorfer See“ ist eine Ausbuchtung des Tegeler Fließtals im Nordosten Hermsdorfs. Das Gebiet war ursprünglich eine verhältnismäßig tiefe Hohlform, die im frühen Holozän von einem durchflossenen See eingenommen wurde. Über den Talsanden finden sich mächtige Kalkmudden von 0,5 bis 2,0 m am Moorrand bzw. > 5,0 m Mächtigkeit im Moorzentrum. Der ausgefällte Kalk entstammt den aus Nordosten zufließenden Oberflächenwässern, welche dort von den ausstreichenden Geschiebemergelhochflächen des Barnims mit kalkreichem Grund- und Quellwasser versorgt wurden. Über den Kalkmudden wurden Detritusmudden mit schwankenden Mächtigkeiten von 0,2 bis 1,2 m sedimentiert. Es folgte eine räumlich differenzierte Bildungsphase, in der die zentralen Bereiche des verlandenden Restsees weiter mit Detritusmudde aufgefüllt wurden, im umgebenden Areal wuchsen (Fein-)radizellentorfe mit stark schwankenden Braunmoos- und Detritusmuddeanteilen auf. Diese Torfe sind 2,0 bis 3,0 m mächtig und ihr Holzanteil (bes. Erle) nimmt in den Randbereichen deutlich zu.

Historische anthropogene Einflüsse spiegeln sich in den Bodenprofilen wider. Durch den mittelalterlichen Mühlenstau im alten Dorfkern Hermsdorfs entstand ein Gewässer, das heute als „Ehemaliger Hermsdorfer See“ bezeichnet wird und der in der Geologischen Karte von Preußen (1874-1937) noch als Restgewässer eingetragen ist. In einer Bodentiefe von 0,1 bis 0,3 m oder: 15-30 cm wurde in den zentralen Bereichen eine sehr humose Kalkmudde bis hin zu einer kalkhaltigen Detritusmudde sedimentiert. Darüber sind wieder Torfe aufgewachsen, die allerdings durch ein feinmaschiges Grabensystem, das der Entwässerung diente, pedogen verändert wurden. Sie sind heute als vererdete und aggregierte amorphe Torfe ausgeprägt. Das Grabensystem diente der Torfstecherei; der „Große Torfstich“ liegt im Bereich besonders mächtiger und gut erhaltener Feinradizellentorfe. Das Grabensystem ist heute zum großen Teil verlandet, dennoch sind die zentralen Bereiche zu Fuß nicht erreichbar, da die verlandeten Gräben meistens unbetretbar sind. Zudem waren die Wasserstände zur Zeit der Kartierung sehr hoch (Sept. 2012: 0,2 bis +0,3 m). Der Nordsaum des Moores ist zum Teil übersandet, jedoch wurde durch Moorsackung das Torfwachstum meist wieder reaktiviert.

Das Moorzentrum ist heute durch Verlandungsprozesse im dauerhaften Überstau gekennzeichnet, wobei es in Schlenken zu Detritusmuddebildung kommt, die aber häufig bereits von torfbildender Vegetation, überwiegend von Großseggen, aber auch Sumpffarn, überwachsen wird. Dadurch kommt es zur Bildung von Mischsubstraten aus Detritusmudde und Radizellentorf, die den reliktischen Vererdungshorizont mehr oder weniger durchdringen. Im äußeren Randbereich (Nordsaum) sind die degradierten Oberbodenhorizonte nicht reliktisch; Torfbildung findet hier nicht statt.

Durch die wechselvolle Geschichte des Moores mit Entwässerungsphasen, sind verfügbare Nähstoffe im Boden freigesetzt worden. Gehölze wanderten zwischen den 1950er Jahren und ca. 2000 ins Moorzentrum und ließen einen Bruchwald entstehen. Die Sukzessionsdynamik im Moorzentrum ist aufgrund gestiegener Wasserstände aktuell sehr hoch. Ältere Erlenbestände sind abgestorben, diese nun lichten Bereiche werden von Phragmites australis oder rasigen Großseggen (Carx acutiformis u.a.) dominiert, auch Thelypteris palustris bildet einige kleinere Dominanzbestände. Verlandete Gräben sind an Vorkommen von Glyceria fluitans und Iris pseudacorus zu erkennen. Verstreut aber stetig sind Solanum dulcamara, Urtica dioica, Bidens cernua und Thelypteris palustris zu finden. Die Gehölzbestände werden von Salix cinerea und auch von jungen Beständen von Alnus glutinosa aus der Naturverjüngung gebildet. Insgesamt ist das gesamte Gebiet trotz der geringen Entwässerungswirkung des Grabensystems von einer Auteutrophierung infolge der flachgründigen Bodendegradierung betroffen. Wegen des mittelalterlichen Mühlenstaus sind gebietstypische torfbildende Braunmoos-Kleinseggenriede im Zentrum nicht vorhanden, sondern nur lokal im Übergangsbereich zum Moorrand auf Landschaftspflegeflächen.

Das Gebiet hat im Moorzentrum (ca. 75% der Fläche) aufgrund gestiegener Grundwasserstände eine hohe natürliche Entwicklungsdynamik, die sich derzeit in vielen abgestorbenen Altbäumen zeigt. Es findet wegen der hohen Wasserstände neben einer Akkumulation von organischer Substanz (Detritusmudde) auch initiale Torfbildung statt. Ob sich die Biotopausstattung mittelfristig über eine Aushagerung zu mesotrophen Verhältnissen verschiebt, hängt von der Qualität des zufließenden Wassers (Tegeler Fließ, Grundwasser, Straßenabwasser) und der trophischen Wirkung der ehemaligen von Torfzehrung betroffenen Oberbodenhorizonten ab. Derzeit wurzelt die torfbildende (eutrophe) Vegetation zum großen Teil in Horizonten, die höhere Anteile an pflanzenverfügbarem Stickstoff aufweisen.

Das Tegeler Fließ mit dem „Ehemaligen Großen Hermsdorfer See“ ist durch die große Moortiefe die größte terrestrische Bodenkohlenstoffsenke Berlins. Durch hohe Grundwasserstände werden weitere ÖSL positiv beeinflusst und die Gesamtbeurteilung bezüglich des Bodenzustandes und der Ökosystemleistungen ist sehr positiv.

Der Entwicklungszieltyp Reichmoor, bewaldet, wurde für die zentralen Flächen gewählt, da eine strukturreiche Vegetation aus Gehölz- und Offenbereichen bei eutrophen Verhältnissen und hohen Wasserständen eine realistische Perspektive darstellt. Dagegen sind Flächen des Moorsaums, die heute unbewaldet sind, bei hohen Wasserständen potenzielle Standorte der basenreichen Niedermoore (Entwicklungszieltyp Braunmoosmoor), die früher gebietstypisch waren. Es ist anzunehmen, dass hier nur durch regelmäßige Mahd eine Bewaldung verhindert werden kann. Dennoch erscheint eine Entwicklung dieser Flächen zum Braunmoosmoor realistisch. Dieser Prozess kann z. B. durch Diasporen- oder Zielpflanzentransfer aktiv gefördert werden.

Schema
Legende

 

Moorbodenkarte

Moorbodenkarte mit Aufnahmepunkten und Moormächtigkeit.